Wirksam werden in der Klimakrise
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Wie wir unsere Wirksamkeit und Begeisterung für eine bessere Zukunft und einen gesunden Planeten bewahren.
“Wir ziehen mit unserem täglichen Leben eine Spur der Verwüstung durch die Erde und wir kümmern uns da noch nicht drum..." - Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, 2022, im Interview bei Markus Lanz [1].
Eine Freundin aus Mexiko schickt mir Sonntagnacht einen Artikel der New York Times mit den Worten „Das hier passiert gerade bei uns“. Es geht um extreme Dürre, trockene Wasserhähne und wütende Menschenmengen, die einen von der Regierung angestellten LKW-Fahrer als Geisel nehmen, weil ihre Nachbarschaft zu wenig Wasser bekommt [2]. Europa stellt unterdessen mit ca. 660.000 Hektar abgebrannter Waldfläche in 2022 einen neuen Negativrekord [3] auf.
Wie können wir uns darum kümmern? Die Frage ist schwieriger als sie scheint. Junge Umweltaktivist*innen stehen jedenfalls selbst immer wieder zwischen Burn-out und Desillusionierung. Die etwas komplexere Forschungsfrage lautet hier also: “Wie bewahre ich mir auch langfristig meine Wirksamkeit und Begeisterung für eine bessere Zukunft und einen gesunden Planeten?”
Persönlich wirksam sein
Manchmal tut es gut uns auch gegenseitig zu erinnern, wie viel wir bereits tun. Jedes Mal, wenn wir uns für den Weg mit dem Fahrrad, eine fleischlose Mahlzeit, den Öko-Stromvertrag oder gegen einen Kurzstreckenflug entscheiden, tragen wir dazu bei, unseren Fußabdruck auf der Erde kleiner zu halten. Mit persönlichem Handeln können wir gerade in den reichen Ländern dieser Welt eine Menge bewirken. Der Nabu und Greenpeace haben hierzu Listen mit 10 [4] bzw. 77 [5] Dingen erstellt, die wir persönlich tun können, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Motivierend ist es, mit den Dingen zu beginnen, die uns persönlich leicht fallen und uns kleine Erfolge schenken. Das Talk-Show-Zitat zu Beginn dieses Artikels geht hierzu passend weiter: “Was immer wir tun, hat Konsequenzen. Wir sind keine Engel, aber wir können versuchen, Schritt für Schritt, die Konsequenzen ein bisschen weniger schlimm zu machen.” Im Auge zu behalten, dass wir nicht anstreben Engel zu werden, sondern zunächst nur die “Spur der Verwüstung” hinter uns zu mildern, ist realistisch und bewahrt uns so vor Überforderung und unnötigem Stress [vgl. 6].
Gemeinsam wirksam sein
Gute Nachrichten: Auch wenn es sich manchmal so anfühlt, sind wir niemals allein unterwegs. Vermutlich teilen gerade Milliarden von Menschen die Mission, unsere Zukunft zum Besseren zu wenden. Fridays for Future, Effective Altruism und GiveWell, Ashoka, Pioneers of Change, oder die Union of Concerned Scientists sind nur eine handvoll Beispiele einer Bewegung, die rasant mehr Menschen und Einfluss gewinnt. Sich mit anderen zu verbünden, Wissen und Motivation auszutauschen, gemeinsam zu kämpfen, zu feiern und zu trauern, kann in uns ein Gefühl von Zugehörigkeit und gemeinsamer Handlungsfähigkeit schaffen. Wer sich für mehr Erfolge aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft interessiert, ist mit Büchern von Rudger Bregmann gut beraten (etwa “Utopien für Realisten”, “Im Grunde gut”) oder “Factfulness” von Hans Rosling et al..
Welche Initiative weckt gerade Deine Neugier oder spricht Dein Herz an? Für manche von uns ist regelmäßiges Spenden (zum Beispiel über GiveWell [7]) die passende Form der Mitgestaltung, während andere sich lieber in politischen oder regionalen Gruppen engagieren. Insbesondere kollektives Engagement ist, was unsere Welt braucht.
Der Krise ganzheitlich begegnen
Die ökologische Krise ist komplex und laut MIT-Professor Otto C. Scharmer gleichauf mit einer sozialen und spirituellen Krise (vgl. “three divides” [8]). Falls Du jetzt denkst, “Oh No, nicht noch mehr Krisen, bitte!”: Diese Perspektive vergrößert einerseits die Reichweite der Krise(n), andererseits aber auch die Spanne unserer Möglichkeiten, ein Teil der Wiederherstellung zu werden – gerade dort, wo uns aktives Handeln verwehrt bleibt. Um Verluste zu Trauern, mit offenem Herzen einander zuzuhören, großzügig zu sein oder der Welt Gebete und Fürbitten auszusprechen, heilt die Wunden einer Krise, die wir, nach Scharmer, noch ganzheitlicher betrachten müssen, als wir es bislang tun. Zusammenfassend lässt sich wohl sagen, dass es um Rückverbindung geht mit dem, was wir im Grunde sind… ökologisch, sozial, spirituell. Naturphilosoph Andreas Weber sagt hierzu im SWR-Podcast [9]: “Wir sägen nicht den Ast ab, auf dem wir sitzen – wir sägen den Ast ab, der wir sind”. Und ja, nicht alles, was uns an unserem Planeten wichtig ist, werden wir schützen können. Wertschätzung für unser höchstes Potenzial, aber auch für die Grenzen unserer Wirksamkeit sind ein Schritt in eine neue, unbekannte Zukunft.
Die Sache mit der Klimagerechtigkeit
In den reichen Ländern dieser Welt werden zur Zeit unsere enormen Privilegien immer sichtbarer. Nicht nur klimatisch gesehen sind ärmere Regionen oft verletzlicher. Knappere Ressourcen bedeuten in der Regel auch weniger Resilienz, um mit Umweltschäden umzugehen. Wie heute Macht und Geld auf der Welt verteilt sind, hat viel mit dunklen Kapiteln der Weltgeschichte zu tun. Während wir, etwa durch zunehmende Migration, mit den Folgen dieser Kapitel konfrontiert sind, wird in vielen Menschen auch eine leise Stimme der Scham lauter. Der Scham über diese ethischen Übertretungen Raum zu geben ist… krass. Wirklich! In anderen Worten: Herausfordernd und in Dosen ratsam. Nichtsdestotrotz ist gerade die Auseinandersetzung mit kollektiven Wunden ein essentieller Beitrag für eine gesunde Zukunft auf unserem Planeten. Wenn Dich diese Art von Arbeit interessiert, empfehle ich Dir das Buch unseres Soulchat-Supervisors Thomas Hübl “Kollektives Trauma heilen” [10].
Leichtigkeit einladen
Egal für welchen Beitrag wir uns entscheiden, spielerisch zu bleiben, ist ein Schlüssel zu langfristigem Erfolg. Begeisterung und Leichtigkeit entstehen, wenn wir mit unserem Potenzial in Kontakt treten. Daher die Frage an Dich zum Abschluss: “Was gibt Dir, bezogen auf das Thema, am meisten Hoffnung, Freude oder Begeisterung?” An genau dieser Stelle Deine Energie zu investieren und spielerisch ins Handeln zu kommen, ist vermutlich genau das, was die Welt gerade von Dir braucht. Schön, dass Du ein Teil dieser gemeinsamen Reise bist!
Autor: Joseph Ronicke
Quellen
[1] Habeck, R. (2022, April 1). Ukraine-Krieg: Habeck Kritisiert Doppelmoral. ZDF. Retrieved December 13, 2022, from https://www.zdf.de/nachrichten/video/politik-habeck-lanz-doppelmoral-gas-putin-100.html
[2] Rodriguez, C., Abi-Habib, M., & Avelar, B. (2022, August 3). Mexico's cruel drought: 'here you have to chase the water'. The New York Times. Retrieved December 13, 2022, from https://www.nytimes.com/2022/08/03/world/americas/mexico-drought-monterrey-water.html
[3] Deutsche Welle. (2022, August 14). Europe set for record wildfire land loss in 2022 – DW – 08/14/2022. dw.com. Retrieved December 13, 2022, from https://www.dw.com/en/europe-set-for-record-wildfire-destruction-in-2022/a-62802068
[4] Greenpeace. (2022, March 31). 10 Tipps für mehr Klimaschutz im Alltag. Greenpeace Germany. Retrieved December 13, 2022, from https://www.greenpeace.de/klimaschutz/klimakrise/10-tipps-klimaschutz-alltag
[5] NABU. (n.d.). 77 Klimaschutz-Tipps. NABU Deutschland. Retrieved December 13, 2022, from https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/klima-und-luft/klimawandel/06740.html
[6] Lazarus, R. S. (1966). Psychological Stress and the Coping Process. New York: McGraw Hill.
[7] GiveWell. (2022). GiveWell Website. GiveWell Charity Research. Retrieved December 13, 2022, from https://www.givewell.org/
[8] Scharmer, C. O. (2018). The Essentials of Theory U: Core Principles and Applications. BK, Berrett-Koehler Publishers, Inc., a BK Business book.
[9] Weber, A. (2018, November 23). Zurück zur beseelten Natur - Plädoyer für einen Paradigmenwechsel. SWR Wissen. Retrieved December 13, 2022, from https://www.swr.de/swr2/wissen/broadcastcontrib-swr-31286.html
[10] Hübl, T., & Lehner, J. (2021). Kollektives Trauma heilen: Persönliche und globale Krisen verstehen und als Chance nutzen. Irisiana.